Der Handel mit Rechten

  • Das Ökosystem

    Hinter einer Musikaufnahme bzw. dem letztlich verkauften Album oder Song steht ein komplexes Geflecht an kreativ und wirtschaftlich Beteiligten. Erst das Zusammenspiel von Songschreiber:innen, Künstler:innen, Produzent:innen und Labels ermöglicht den Konsument:innen den Zugang zu einer riesigen Vielfalt von Musik unterschiedlicher Genres. In der Regel schaffen Komponist:innen das musikalische Werk, Autor:inenn schreiben den Text, Künstler:innen interpretieren das Musikstück und die Labels übernehmen die organisatorische und wirtschaftliche Verantwortung für Produktion, Marketing und Promotion sowie den Vertrieb. Entsprechend gewährt das Urheberrechtsgesetz (UrhG) den Beteiligten auch Rechte an ihren Werken, Beiträgen und Leistungen. Da es sich bei Rechten an Musik wie bei Büchern, Filmen, Fotos, Software, Kunst oder Design um Rechte des geistigen Eigentums handelt, verbleiben die Rechte an diesen Produkten im Kern bei denjenigen, die ihre Entstehung möglich gemacht haben. Wenn wir also eine CD, ein Buch, eine DVD oder Software kaufen oder Streaming-Dienste nutzen, dann erwerben wir das Recht zur privaten Nutzung, aber der Inhalt gehört uns nicht. Das Respektieren des geistigen Eigentums ist letztlich vor allem der Respekt vor denjenigen, die ein Produkt erschaffen und nutzbar gemacht haben.

  • Das Lizenzgeschäft

    Das im Musikbereich oftmals arbeitsteilige Geschäftsumfeld bedeutet, dass Kreative häufig als freie Künstler:innen zunächst Werkteile oder Leistungen schaffen und zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit einem Musiklabel auf den Markt bringen. Die Tonträgerhersteller treten hier als Investoren, kreative Partner und Multiplikatoren der Künstler:innen sowie als Mittler gegenüber dem Publikum auf, indem sie die genannten Leistungen im Bereich Artist & Repertoire Management („A&R“) und im immer vielfältiger gewordenen Tätigkeitsbereich Marketing und Promotion bereitstellen und darüber hinaus für den Vertrieb und dessen Administration sowie für das Merchandising sorgen.

     

    In diesem Umfeld räumt der Kreative dem Musiklabel Nutzungsrechte (Lizenzen) an dem von ihm eingebrachten Musikwerk ein, damit das Label das Werk auf einzelne oder auch alle Nutzungsarten verwerten kann. Dabei kann das Nutzungsrecht zur ausschließlichen Nutzung durch eine Person übertragen werden oder lediglich zur einfachen Nutzung, die es dem Kreativen ermöglicht, parallel auch weiteren Nutzer:innen ein einfaches Nutzungsrecht an dem Musikwerk einzuräumen. Zudem ist eine Beschränkung der Lizenz in räumlicher, zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht möglich. Die einzelnen Nutzungsarten sind ebenfalls zu bestimmen. Wird das versäumt, bestimmt sich der Umfang der übertragenen Nutzungsrechte nach dem zwischen dem Künstler/der Künstlerin und dem Nutzer/der Nutzerin zugrunde gelegten Vertragszweck. 

     

    An manchen Stellen gibt es selbstverständlich andauernde Auseinandersetzungen zu Notwendigkeit und Umfang einer notwendigen Lizenzierung. Ein Beispiel ist die Nutzung von Samples. Der Rechtsstreit „Metall auf Metall“ zieht sich bereits seit über zwei Jahrzehnten hin. Im Kern geht es darum, ob ein etwa eineinhalb Sekunden lange Rhythmussequenz ohne Lizenz benutzt werden darf. Der Bundesgerichtshof entschied zuletzt mit Urteil vom 30. April 2020 (I ZR 115/16), dass der Erwerb einer Lizenz grundsätzlich notwendig ist. Jedoch kann unter bestimmten Umständen das Vervielfältigungsrecht des Tonträgerherstellers gemäß § 85 UrhG eingeschränkt werden, was zur Entbehrlichkeit des Lizenzerwerbs führt.

  • Schranken + Vergütungsanspruch

    Die Einschränkung der sogenannten Ausschließlichkeitsrechte der Kreativen ist grundsätzlich mit einem gesetzlichen Vergütungsanspruch verbunden, der dem Ausgleich für die Nutzung seiner Werke durch die Allgemeinheit dient. Das Urheberrechts-Gesetz sieht dabei gesetzliche und vertragliche Vergütungsansprüche vor. Die urheberrechtlichen Schrankenregelungen stellen einen Eingriff in die ausschließliche Verwertungsbefugnis dar, indem sie die Verwertung des Urheberrechts im Interesse der Allgemeinheit beschränken.

     

    Die im Gegenzug als Entschädigung eingeräumten gesetzlichen Vergütungsansprüche müssen durch Verwertungsgesellschaften (z.B. GEMA, GVL) wahrgenommen werden. Dazu schließt der Rechteinhaber/díe Rechteinhaberin mit der Verwertungsgesellschaft einen Berechtigungs- bzw. Wahrnehmungsvertrag und räumt ihr seine Ansprüche treuhänderisch ein. Die Verwertungsgesellschaft unterliegt hierbei einem Wahrnehmungszwang. Das bedeutet, sie ist gegenüber dem Rechteinhaber/der Rechteinhaberin verpflichtet, die jeweiligen Rechte auch tatsächlich wahrzunehmen. Die Einnahmen werden nach einem von den Verwertungsgesellschaften aufzustellenden Tarif von den Nutzer:innen eingezogen und im Anschluss nach einem ebenfalls von ihnen aufzustellenden Verteilungsplan an die Berechtigten ausgeschüttet.

     

    Rätsel gibt die im deutschen Recht die neu eingeführte Figur des „Pastiche“ auf. Es ist noch unklar, welche künstlerische neue Leistung die Merkmale eines Pastiche auslöst und also ab wann die Schranke greift und der/die Nutzer:in sich auf diese Schranke berufen kann. Es bleibt spannend, wie sich irgendwann die Gerichte hierzu positionieren.

  • Privatkopie

    Privatkopien sind ebenfalls eine urheberrechtliche Ausnahme. Grundsätzlich ist es nicht erlaubt, Musik ohne Erlaubnis der Rechteinhaber zu kopieren. Eine Besonderheit des deutschen Rechts ist, dass einzelne Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch gemäß § 53 Abs. 1 UrhG ausnahmsweise zulässig sind. Privatkopien dürfen jedoch, wie der Name schon sagt, nicht verbreitet oder für die öffentliche Wiedergabe genutzt werden. Es dürfen immer nur einige wenige Kopien für den privaten, eigenen Gebrauch angefertigt werden, wozu auch noch der (Mit-)Gebrauch durch Familienangehörige und Freunde zählt. Es dürfen sowohl analoge als auch digitale Kopien hergestellt werden. Wer ohne die ausdrückliche Zustimmung nur eines der Rechteinhaber Tonaufnahmen außerhalb des eng begrenzten Rahmens des § 53 UrhG kopiert, handelt rechtswidrig und macht sich unter Umständen strafbar (vgl. §§ 106, 108 Abs.
    Nr. 4 und 5 UrhG).

  • Urhebervertragsrecht

    Das Urhebervertragsrecht regelt die Rahmenbedingungen für Verträge zwischen Urheber:innen und ausübenden Künstler:innen einerseits und (juristisch und technisch so genannten) Verwertern andererseits. Bei den „Verwertern“ handelt es sich im die Partner der Künstler:innen, den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die in die Künstler:innen-Karrieren investieren. Der Urheber/die Urheberin verwertet sein/ihr Werk nur in Ausnahmefällen selbst. In der Regel erfolgt die Verwertung geschützter Werke durch die Einbeziehung Dritter, im Musikbereich durch die Musik-Unternehmen. Das Urhebervertragsrecht regelt diese Vertragsverhältnisse in §§ 31 ff. UrhG. Im Bereich der Musikindustrie hat sich hier ein gut funktionierendes und ausgeglichenes System entwickelt, das die Rollen aller Beteiligten am Kreativprozess des Musikschaffens widerspiegelt. Die Künstler:innen werden mit exklusiver Vertragsbindung ganz regelmäßig im Umfeld der entsprechenden Lizenzverträge unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg der entsprechenden Produkte beteiligt. Nach wie vor sind Tonträgerhersteller die zentralen Investoren in den Aufbau von (neuen) Künstler:innen. Die Tonträgerhersteller tragen bei der Etablierung eines Künstlers/einer Künstlerin am Markt mithin meist das alleinige Investitionsrisiko. Der Künstler/die Künstlerin partizipiert durch Umsatzbeteiligungen am wirtschaftlichen Erfolg einer Produktion.

     

    Mit dem „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des Digitalen Binnenmarkts“ wurden Teile der EU-DSM-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt (Digital-Single Market Directive). Es ist am 7. Juni 2021 in Kraft getreten. Damit wurde auch das bereits in Deutschland bestehende Urhebervertragsrecht angepasst, das schon zuvor eines der schärfsten Gesetzte zum Schutz der Künstler:innen im Verhältnis zu ihren manchmal größeren Vertragspartnern, den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft war. Die Regelungen wurden noch einmal zum Schutz der Künstler:innen verbessert. Vergleichendes Beispiel: In Großbritannien existiert kein Urhebervertragsrecht.