Liebe Mitglieder, liebe Branche, liebe Musikinteressierte,
Dezember. Zeit der Rückblicke. Aber auch Zeit, der Branche den Puls zu fühlen. Wie geht es ihr, Ihnen, uns, Ende 2020? Nach einem Jahr, das man sich vor zwölf Monaten nicht im Ansatz hätte vorstellen können…
Was unseren Teilbereich innerhalb der Musikwirtschaft, die Musikindustrie, betrifft, so kann man bei aller Vorsicht sagen: den Umständen entsprechend gut. Natürlich ist klar, dass die Situation des erst- und schwerstgetroffenen Live-Geschäfts und die heftige Betroffenheit vieler Künstlerinnen und Künstler Spätfolgen auch für den Recorded-Bereich haben wird, deren Größenordnung noch nicht absehbar ist. Auch ist klar, dass es in den brancheneigenen Umsätzen Einbußen gab und noch geben wird. Generell steht die gesamte Musikwirtschaft jedoch so solidarisch zusammen, wie ich persönlich es noch nie erlebt habe. Die Gründung des Forum Musikwirtschaft, aktuell bestehend aus BDKV, DMV, LiveKomm, SOMM, VUT und BVMI in diesem Jahr unterstreicht das – eine gute Konsequenz der schwierigen Situation. Wenn wir dieses Bewusstsein für das Einende so erhalten, haben wir als gesamte Branche eine große Kraft.
Doch zurück zu unserer Teilbranche: Das seit Jahren dynamisch wachsende Audio-Streaming hat sich zunächst einmal als Stützpfeiler in der durch die Pandemie ausgelösten Krise erwiesen. Er ist es, der zentral zu unserer wirtschaftlichen Resilienz beiträgt. Die Zahlen für das Gesamtjahr liegen noch nicht vor, mit Blick auf die Halbjahresbilanz lässt sich aber so viel feststellen: Wir sehen einen Wirtschaftszweig, der etwa Dreiviertel seines Gesamtumsatzes online erzielt – und, entsprechend, ein Viertel durch den Verkauf von CDs und Schallplatten. Es ist gerade einmal sechs Jahre her, da war dieses Verhältnis genau umgekehrt: 2014 machten physische Tonträger den Großteil des Umsatzes aus, die CD allein stand für 66,4 Prozent des Geschäfts, „Streaming und Digital Sonstiges“ erlösten in Summe gerade einmal 8,2 (sic!) Prozent. In sehr, sehr kurzer Zeit hat sich also sehr, sehr viel getan. Es ist gelungen, nach 15-jähriger Talfahrt wieder ins Wachstum zu kommen – durch eine klare Diversifizierungsstrategie der Branche, die jedes Medium, jedes Format, jeden Kanal mitdenkt und aktiv bespielt, um Musik zu ihren Fans zu bringen. #VonVinylbiszurCloud. Dabei zeigen neue Player, aktuell zum Beispiel TikTok, dass die Art und Weise, wie Musik gehört und genutzt wird, sich ständig erweitert und verändert. Mehr denn je gilt: Alles bleibt anders, Veränderung ist die neue Kontinuität, das war uns bereits vor der Krise bewusst und deshalb auch längst Teil unserer DNA. Das gilt für Formate und Kanäle ebenso wie für Produktionsweisen und Verbreitungsstrategien oder Abrechnungsmodelle.
Gleichzeitig sehen wir uns jedoch einem Entwurf zur Umsetzung der DSM-Richtlinie gegenüber, der, wie in den vergangenen Wochen auf verschiedenen Wegen artikuliert, für unsere Branche ein Schlag in die Magengrube ist (s. Gastbeitrag in der FAZ vom 12.12.2020). Ein Justizministerium, das dem Wert kreativer Leistungen nicht gerecht wird und sich lieber mit Claims von Internetaktivist*innen assoziiert – mit dem Ergebnis, dass weiterhin die Online-Plattformen die Hauptprofiteure von Kreativleistungen im Netz sind. Das ist schon für sich genommen höchst irritierend. Bei einem Online-Anteil von 75 Prozent am Gesamtumsatz ist es für unsere Branche unternehmerisch absolut inakzeptabel. Es liegen spannende Wochen und Monate vor uns, wir werden nicht lockerlassen, auch wenn es lauter wird.
Wir halten Sie über all das auf dem Laufenden – immer gern auch im persönlichen Austausch. Für unsere Mitglieder gibt es darüber hinaus seit neuestem die im November gestarteten „Music Industry Briefings“ zu vertiefenden Themen, die wir im kommenden Jahr als wichtigen und für beide Seiten erkenntnisreichen Austausch unbedingt fortsetzen werden. Was in den vergangenen Wochen sonst noch passiert ist, haben wir wie immer einmal für Sie zusammengefasst.
Ihnen in dieser besonderen, für nicht wenige auch besonders schwierigen, Zeit sehr herzliche Wünsche für die Weihnachtstage und den Jahreswechsel.
Bleiben Sie gesund.
Ihr