KONTAKT
Das Schallplatten-Presswerk direkt an der Spree
Interview mit Jeremy Guillot und Daniel Plasch von Objects Manufacturing
Mit Objects Manufacturing hat der Musikstandort Berlin bereits vor ca. einem Jahr sein eigenes Presswerk erhalten. Wie kam es zur Entwicklung und Gründung? Wie erlebt ihr Berlin, oder besser gesagt Schöneweide, als Schauplatz für die Musikindustrie?
Wir denken, Berlin ist aufgrund seiner vielen vitalen Subkulturen im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten eine musikalisch sehr vielfältige Stadt und hat daher eine sehr differenzierte Musikszene und einen kulturellen Anspruch in fast jede Nische. Das ist etwas Wundervolles, das diesen Standort seit vielen Jahrzehnten besonders macht, nicht erst seit dem Fall der Mauer. Jeden Tag begeistern die vielen Orte, an denen Musik stattfindet, tausende Menschen in Berlin. Ob Konzertgänger:in, Raver, Indie-Fan, Metalhead oder Superfan der ersten Stunde, kommt jeder Musikliebhaber auf seine oder ihre Kosten. So avancierte diese Metropole auch zu einer der führenden Städte weltweit, die auf dem Tourplan der Superstars auftauchen sollte.
So viele musikbegeisterte Menschen in der Stadt zu haben, ist ein Schatz, dessen Bedeutung sich Berlin nur in Ansätzen gewahr scheint. Bei der Suche nach einem Standort für unsere Fabrik hatten wir naheliegenderweise einen wesentlichen Faktor im Blick, die Lage. Trotz der angespannten Freiraumsituation in der Stadt wollten wir möglichst nah am Stadtzentrum sein, damit unsere Kundinnen und Kunden ihre Platten auch persönlich abholen können, sofern es praktikabel und gewünscht ist. Wir sehen viel Potenzial in dieser Region. Für die Zukunft planen wir Listening-Events und Workshops (z.B. Silk Print für Covers etc.).
Eine Fabrikhalle mit direkter Spreelage auf dem Gelände der ehemaligen Kabelwerke-Oberspree sollte der perfekte Standort für unsere Fabrik werden. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir uns mit unserer lokalen Musikszene verbunden fühlen. Ich denke, Presswerke haben den Leuten lange Zeit das Gefühl gegeben, dass sie nicht zugänglich sind und dass man eine Mittelsperson braucht, die alles den Pressauftrag betreffend für einen erledigt. Wir sind der Meinung, dass sich das mit der zunehmenden Digitalisierung auch in diesem Sektor verändert. Es war noch nie so einfach, Platten zu pressen, vor allem so individuell. Unser Ziel ist es, die Branche etwas zu entmystifizieren, und wir wollen auch den (noch) kleineren Künstlerinnen und Künstlern Hilfestellung leisten und nahe an unserer Kundschaft sein.
Die Schallplatte erlebt seit einigen Jahren ein großes Comeback, sie ist aktuell das einzige physische Format, das Wachstum in der deutschen Musikindustrie erlebt. Gleichzeitig wird in Branche und Öffentlichkeit viel über den ökologischen Fußabdruck von Musik gesprochen. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in den Abläufen bei Objects Manufacturing?
Das Thema Nachhaltigkeit war einer der Hauptgründe, warum wir dieses Projekt gestartet haben. Wir wollten die Dinge anders angehen, mit einem Ansatz, der sich mehr auf Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien und Abfallmanagement konzentriert. Wir wollten dem Gedanken Sorge tragen, dass auch ein physisch hergestelltes Produkt, das lange nicht als nachhaltig galt, den zeitgemäßen Erwartungen an ein solches genügen kann. Gerade weil es sich bei der Schallplatte um ein Produkt handelt, welches Emotionen an einen physischen Tonträger binden kann und womit wir Menschen durch Haptik und auditives Erlebnis besondere Momente verbinden, musste es einen Weg geben!
Alle wesentlichen Herstellungsprozesse finden in Berlin statt. Die Herstellung der Pressschablonen machen wir auch in-house. Für das Cutting und Mastering arbeiten wir mit einigen der besten Studios Europas zusammen, die glücklicherweise ebenfalls in Berlin sitzen.
Unsere Kühlmaschine arbeitet mit dem natürlichen Kühlmittel Wasser statt mit Chemikalien und wurde speziell für uns geplant. Wir sind stolz darauf, dass sie in der Tat CO2-neutral arbeitet.
Wir arbeiten mit Partnern zusammen, die ebenfalls den hohen Ansprüchen an Nachhaltigkeit entsprechen. So produzieren wir mit FSC-zertifiziertem Papier, nutzen Außenhüllen mit veganer Tinte und arbeiten mit Versandpartnerfirmen zusammen, für die eine Eliminierung von unnötigen Kohlenstoffemissionen, wie für uns, zum Selbstverständnis des Betriebs gehört.
Wir arbeiten so lokal und ausschussfrei wie möglich und verarbeiten regelmäßig Fehlpressungen zu neuem Material für den laufenden Herstellungsprozess. Somit verlässt im Hinblick auf PVC nur das fertige Produkt für den Kunden unsere Fabrik. Und auch dieses kann wieder recycelt verwendet werden, sofern das gewünscht ist. Wir bieten bereits eine zu 100 % recycelte und recycelbare Vinylproduktion an und leisten damit einen Beitrag zur möglichst ausschussfreien Kreislaufwirtschaft in neuartigen Herstellungsbetrieben.
Wir arbeiten derzeit an den Zertifizierungen nach ISO 9001 und ISCC, um unser internes Qualitätsmanagement nachweisen zu können und unseren Kunden in Kürze auch BIO-Vinyl-Material für die Herstellung ihrer Platten anbieten zu können.
Welche Herausforderungen sind Euch in der Gründungs- und Entwicklungsphase begegnet? Wie bewertet ihr Berlin als Nährboden für junge und innovative Unternehmen in der Branche?
Der Aufbau der Fabrik war sicherlich eine außergewöhnliche Herausforderung, aber der Standort Oberschöneweide ist einfach unschlagbar! Direkt an der Spree zu arbeiten und ein Büro mit Blick auf das Wasser zu haben, hätten wir uns nie erträumen können. Oberschöneweide ist das Brooklyn von Berlin, und ich bin überzeugt, dass es hier in den kommenden Jahren eine signifikante Entwicklung geben wird – nicht entgegen, sondern im Einklang mit den Bedürfnissen der Nachbarschaft. Nach vielen Jahren des Niedergangs industrieller und gewerblicher Infrastruktur sind wir froh, wieder einen fertigenden Betrieb für ein Industrieprodukt an diesem Standort zu eröffnen. Nach etwa einem Jahr Produktion können wir uns nicht vorstellen, irgendwo anders als in Berlin zu sein. Die lokalen Voraussetzungen sind genau richtig, um weitere zukunftsorientierte und herstellende Betriebe der Kreativwirtschaft anzusiedeln. Berlin verfügt über viele Netzwerke und Programme, die Gründerinnen und Gründern beim Aufbau eines Projekts helfen. Man muss sich ein wenig informieren, aber wird in der Regel schnell fündig.
What’s next? Welche Themen und Entwicklungen in der Branche sind für Objects Manufacturing aktuell spannend?
Zurzeit arbeiten wir daran, unseren Kunden mehr Optionen für Vinylfarben zu bieten, indem wir Splatter-Effekte und alle möglichen kreativen Farbkombinationen in unseren Katalog aufnehmen. Zudem arbeiten wir kontinuierlich an der Verbesserung unserer internen Prozesse, wobei der Fokus auf Nachhaltigkeit liegt.
Welche Möglichkeiten gibt es für Musikunternehmen, mit Objects Manufacturing zu arbeiten? Wie und wo findet man euch?
Die Vorstellung, dass eine einzige Person den gesamten Prozess vom Mastering meiner Dateien bis hin zur Lieferung des fertigen Produkts in der vereinbarten Zeit und zu einem fairen Preis abwickelt, ist das, wovon wir als Künstler selbst immer geträumt haben.
"Sie schicken uns Ihre Dateien, wir erledigen den Rest für Sie. So einfach ist das."
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, uns zu kontaktieren. Unsere Website ist ziemlich unkompliziert und hält einen Online-Konfigurator für Schallplatten bereit, mit dem wir alle Daten erfassen können und Ihnen innerhalb von 24 Stunden ein Angebot unterbreiten können. Wenn Sie Lust haben, auch mal persönlich die vielen Möglichkeiten zu erleben, finden Sie uns in der Wilhelminenhofstraße 76-77, 12459 Berlin – kommen Sie einfach vorbei und probieren Sie unseren Kaffee :)!
Auf dem Foto sind Jeremy Guillot und Daniel Plasch, die Gründer von Objects Manufacturing, zu sehen.