Das Glocal-Panel beim RBF 2023 (v.l.n.r.): Will Page, Conny Zhang, Dodo Roščić, Aida Baghernejad & Konrad von Löhneysen

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„Der kulturelle Wandel und die Macht des Lokalen gehen über die Musikbranche hinaus"

Global, Lokal, Glokal? Die Relevanz von lokalem Repertoire wächst in den großen Musikmärkten der Welt und bringt einen Kulturwandel in die Musikindustrie. Was bedeutet dies für die Branche?

Lokales Repertoire ist in den Single- und Album-Charts der größten Musikmärkte besonders stark vertreten. Und auch auf Streaming-Plattformen spielt „Local“ weltweit eine zunehmende Rolle. Doch wie kam es zu dieser Trendentwicklung und welchen Herausforderungen muss sich lokale Musik im Label-, aber auch im Radio- und Streamingkontext stellen? Hat lokales Repertoire globales Potenzial? Und was bedeutet die Glokalisierung des hiesigen Musikmarkts für seine Player? Diesen und weiteren Fragen widmete sich die hochkarätig besetzte Panelrunde am vergangenen Freitagvormittag im east Hotel und tauchte tief in die Thematik ein.

 

Will Page, Autor und ehemaliger Chief Economist bei Spotify, eröffnete die sehr gut besuchte Talkrunde am vergangenen Freitagvormittag mit einem kurzen Input zum Status Quo von „Glocal“: Was als Verbreitung eines gesellschaftlichen Phänomens begann, nämlich dass Menschen auf der ganzen Welt zu lokalen und vertrauten/„heimischen“ Gütern tendierten, ist seit einigen Jahren auch in vielen regionalen Musikmärkten zu beobachten. Diese Entwicklung sei nicht zu vernachlässigen, denn sie begünstige die Genese von „geographischen Echokammern, besonders im Kontext kuratierter Playslists [auf Streaming-Plattformen]“, so Page. Gerade im Zeitalter des “À la carte”-Streamings tendieren Zuhörer:innen eher zu lokalem Content, wie die Ergebnisse seiner aktuellen Studie zeigten.

 

Auch Conny Zhang bestätigte diesen positiven Trend. Die Anzahl von lokalen Acts auf Spotify sei in den letzten zehn Jahren um 400% gestiegen. Dieses Wachstum spreche für die „Power of Local“, die durch personalisierte Playlists und auf dem Hörverhalten basierten Musikentdeckungen nur weiter verstärkt werde. „Wir lassen die Zuhörer:innen entscheiden“, so Zhang.

 

Den Radio-Blick auf „Glocal“ brachte Dodo Roščić (Gradištanac) in die Runde ein: „Was Künstler:innen heutzutage brauchen, ist Airplay!“, postulierte die Programmchefin von FM4. „Lokales Repertoire zu spielen, das ist für einen Radiosender keine ökonomische Entscheidung. Aber wir entscheiden uns dafür, Partner der kreativen Szene zu sein, in der wir existieren. Es ist eine wertebasierte Entscheidung.” Weitere wichtige Aspekte für ein zukunftsorientiertes Radio sei auch die Aufrechterhaltung analoger Touchpoints zwischen Acts und Fans, zum Beispiel in Form von Events und Studiobesuchen.

 

Konrad von Löhneysen, CEO von Embassy of Music, stimmte der FM4-Chefin zu. „Wenn ein Act im lokalen Markt nicht sichtbar stattfindet, macht es für Radios oder auch stationären Handel in der Region keinen Sinn, diesen Act zu promoten.“ Er verwies jedoch zugleich auf die besondere Begebenheit der deutschen Radiolandschaft, die von einem starken regionalen Bezug geprägt ist und so eine einheitliche lokale Strategie erschwert. Er wünsche sich für die Zukunft dennoch eine noch stärkere Unterstützung lokaler Acts durch die regionalen Radiosender.

 

Nach 60 Minuten intensiver Diskussion waren sich die Panelist:innen einig: Lokales Repertoire birgt ein riesiges Potenzial, sowohl im regionalen, als auch im internationalen Kontext. Die Zuwendung zu lokalen Kulturgütern ist jedoch kein exklusiv musikalisches Phänomen. „Der kulturelle Shift [dieses Phänomens] und die Power of Local geht weit über die Musikbranche hinaus!“, resümierte Will Page.

 

Moderiert wurde die spannende Panel-Runde vor einem gut gefüllten Saal von Aida Baghernejad.