KONTAKT
Der KulturPass für 18-Jährige kommt. Was bedeutet das für die Branche?
BVMI-Vorstandsvorsitzender Dr. Florian Drücke verortet das von der Bundesregierung angekündigte Konzept für junge Menschen in Deutschland
Mit einem Guthaben von 200 Euro möchte die Bundesregierung im nächsten Jahr junge Menschen dazu anregen, Kultur vor Ort zu erleben, so der Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags am 10. November 2022. BVMI-Vorstandssitzender Dr. Florian Drücke teilt seine Eindrücke zum KulturPass, zu europäischen Vorbildern und zum aktuell bekannten Planungsstand in Deutschland.
Wie steht der BVMI dem Vorschlag der Bundesregierung gegenüber?
Gemeinsam mit unseren Kolleg:innen in den musik- und kreativwirtschaftlichen Nachbarbranchen begrüßt der BVMI, dass die Bundesregierung Jugendlichen durch den KulturPass einen niederschwelliger Zugang zu Kulturangeboten ermöglichen möchte, also Appetit auf Kultur machen will. Wir hatten den Kulturpass mit Verweis auf die in Italien und Frankreich existierenden Beispiele gemeinsam mit dem Forum Musikwirtschaft vor den Bundestagswahlen an mehreren Stellen angeregt, insofern ist es sehr erfreulich, dass der Ansatz Gehör gefunden hat!
Entscheidend ist nun neben der rein technischen Umsetzung, auf welche Inhalte, Formate und Kanäle sich der Pass dann konkret erstrecken wird. Hier haben die in den Branchenallianzen k3d und Forum Musikwirtschaft zusammengeschlossenen Verbände angeboten, die Ausgestaltung zu unterstützen, nicht zuletzt auch, um dem Projekt gemeinsam Sichtbarkeit zu verschaffen. Auch sollten bei der Detailplanung unbedingt die Erfahrungen, die man in Italien und Frankreich in den letzten Jahren bereits mit einem solchen Kulturpass gemacht hat, berücksichtigt werden; man wird nicht alles neu erfinden müssen.
Wenn Sie den Kulturpass schon mit dem Forum Musikwirtschaft angeregt haben – wem soll diese Initiative in erster Linie helfen, den jungen Menschen oder der Kultur- und Kreativbranche selbst?
In allererster Linie bietet der KulturPass einen – zumindest in Deutschland – neuen neuen Ansatz, um Lust auf Kultur zu wecken. Wenn man die Nachfrage nach „Kultur“, und damit die kulturelle Teilhabe, in dieser Weise stimuliert, wird das auch den entsprechenden Branchenakteur:innen und -strukturen der Branche zugutekommen, deren Angebote in Anspruch genommen werden. Und ich halte es tatsächlich auch für wichtig, dass sich in diesem Ansatz die Wertschätzung für die Kreativen und für deren Partner:innen gleichermaßen widerspiegelt. Denn es sind eben beide, die Kreativen wie die an ihrer Seite stehenden Unternehmen, die an der Entwicklung und Finanzierung von Kultur beteiligt sind. Vielleicht lassen sich auf diese Weise die „Wertschätzung“ und das „Bewusstsein für Wertschöpfung“ miteinander verbinden.
Besteht die Gefahr, dass einige Branchen stärker profitieren als andere?
Das lässt sich derzeit nicht beantworten, da die Ankündigung letztlich doch überraschend war und es im Vorfeld keinen Austausch zu den Details gab. Umso wichtiger ist es jetzt, in die Entwicklung möglichst viele derer einzubeziehen, die sich um das Schaffen, die Gestaltung, die Verbreitung und die Finanzierung von Kultur in Deutschland kümmern. Nicht nur in unserer sehr digitalen Branche wurde häufig die Frage gestellt, wieso der Pass keine Diversifizierung hin ins Digitale vorsieht, gerade wenn man die Jüngeren erreichen will. Wie gesagt, es gibt noch einigen Gesprächsbedarf.
Die Bundesregierung hat kürzlich angekündigt, vom französischen Modell eines Kulturpasses nicht nur lernen, sondern hier auch eng zusammenarbeiten zu wollen. Wie könnte das aussehen?
Im Rahmen des Deutsch-Französischen Kulturrates haben wir den Kulturpass zu einem frühen Zeitpunkt bereits als interessanten französischen Impuls und Beispiel diskutiert. Gerade in dieser Beziehung wäre es meines Erachtens nicht nur sinnvoll, sondern auch extrem spannend – und im besten europäischen Sinne zukunftsweisend! –, über eine Interoperabilität zwischen beiden Kulturpässen nachzudenken, d.h. über eine grenzüberschreitende Öffnung des deutschen und des französischen Kulturpasses. So könnte kulturelle Teilhabe auf beiden Seiten des Rheins gelebt werden, was im nächsten Jahr, in dem der 60. Jahrestag des Elysée-Vertrages gefeiert wird, ein besonderes Signal sein könnte, um Appetit auf die Kultur „der Anderen“ zu machen.
Was aktuell über den KulturPass bekannt ist:
Laut Angaben der Bundesregierung erhalten alle Jugendlichen, die im Jahr 2023 18 Jahre alt werden (laut Statistischem Bundesamt werden das etwa 750.000 Personen sein) ein Guthaben in Höhe von 200 Euro. Dieses Guthaben können sie zwei Jahre lang auf einer digitalen Plattform einlösen, die als App und Website verfügbar sein wird. Auf der Plattform können sich Kulturanbieter registrieren und dort beispielsweise Konzerte, Theater- und Kinovorstellungen anbieten. Auch Eintrittskarten für Museen oder Ausstellungen sowie Bücher oder Vinylplatten sollen zum Angebot gehören. Die Registrierung ist beschränkt auf lokale Kulturanbieter. Große Verkaufsplattformen und Online-Versandhändler sind ausgeschlossen.
Der KulturPass soll ab dem zweiten Quartal 2023 an den Start gehen. Bei erfolgreichem Verlauf kann das Programm in einem zweiten Schritt für Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren geöffnet werden.
Die Bundesregierung stellt für das Pilotprojekt 100 Millionen Euro zur Verfügung, die Mittel kommen aus dem Etat der Staatsministerin für Kultur und Medien.
Weitere Informationen zum KulturPass können Sie der offiziellen Pressmitteilung der Bundesregierung entnehmen.